
Bild: Blick in die Schellingstraße mit Kran und Aufstockungsbaustelle
In jedem Münchner Stadtbezirk findet eine jährliche Bürgerversammlung statt, in der Maxvorstadt fällt sie üblicherweise in den November. Bürgerinnen und Bürger können Anfragen formulieren und Anträge stellen.
Heuer beteiligten sich insgesamt nur 15 Personen, es gab wenig wirklich heiße Themen, sodass ich in dieser Nachlese etwas anderes schildere – meine selbst gestellten Anträge und was sie gebracht haben, obwohl sie keine Mehrheit bekamen. Vorab gibt es einige allgemeine Informationen mit Tipps zur Bürgerversammlung.
Anträge und Anfragen bei der Bürgerversammlung
Die Versammlung beginnt mit dem Bericht des Bezirksausschusses, dann folgt der Sicherheitsbericht der Polizei, anschließend haben Bürgerinnen und Bürger des Stadtbezirks das Wort. Über Anträge stimmt die Bürgerversammlung ab, daraus ergibt sich dann quasi ein Auftrag an den Bezirksausschuss, den Stadtrat oder die Stadtverwaltung. Außerdem ist es möglich, Anfragen zu stellen. Diese werden oft live vom Anwesenden aus der Stadtverwaltung (z.B. Leiter der Referate) oder der Versammlungsleitung beantwortet. Ist das nicht möglich, wird die Antwort schriftlich nachgereicht.
Anträge und Anfragen können Sie am Abend der Bürgerversammlung auf einem Papierformular einreichen, oder den Antrag schon einige Wochen vorher online stellen. Doch Vorsicht – der Antrag muss noch ausgedruckt, unterschrieben und spätestens am Versammlungsabend an einem dafür eingerichteten Tisch abgegeben werden. Wer nicht persönlich anwesend ist, kann den Antrag vorlesen lassen.
Bilder und Grafiken können den Antrag unterstützen
Es ist außerdem möglich, auf der Versammlung per Beamer digitale Bilder zu zeigen, diese lassen sich ebenfalls vorab online beifügen. Fotos werden geprüft, ob Teile des Bildes wegen der Privatsphäre von abgebildeten Personen geschwärzt werden müssen. Bei mir hat übrigens der Bilder-Upload auf der Website nicht funktioniert, aber ich konnte mein Foto per Mail bei der freundlichen Geschäftsstelle einreichen. Wer mag, kann Fotos auch persönlich auf dem USB-Stick mitbringen, doch das muss wegen der Prüfung eine Stunde vor Beginn passieren.
Gute Fotos können eine wichtige Unterstützung für den Antrag sein. Ein Antragsteller widmete sich dem Verkehrslärm: Wenn die Leopoldstraße für eine Veranstaltung gesperrt ist, weichen manche Autofahrer auf Seitenstraßen aus und nerven teils die Anwohner. Der Bürger, der den Antrag stellte, ließ ein Foto einblenden, das einen kräftige Bremsspur auf der Fahrbahn der Georgenstraße zeigte. So hatte er das Problem schön veranschaulicht und gewann auch die Zustimmung der Versammlung.
Was die Maxvorstadt sonst so beschäftigt, überlappt sich teilweise mit der Bürgerversammlung Maxvorstadt 2024. Der wichtigste Unterschied ist, dass diesmal die radikalen Fahrradaktivisten nicht dabei waren.
Mein Antrag gegen Aufstockungen in der Maxvorstadt
Das Bild über diesem Artikel habe ich im August in der Schellingstraße aufgenommen. Der Kran ist immer noch da, die Arbeiten dauern an. Ich sehe diese Aufstockungen sehr kritisch, weil sie die einheitliche Trauflinie der Straße aufbrechen. Darum habe ich folgenden Antrag eingereicht:
Die Maxvorstadt entstand als planmäßige Stadterweiterung im 19. Jahrhundert. Sie besteht v.a. aus Blockbebauung, das heißt, es gibt geschlossene Häuserfronten direkt an der Straße. Auch die Höhe der Häuser ist meist einheitlich: Wo noch Altbauten aus der Vorkriegszeit vorhanden sind, orientieren sich die Nachkriegsbauten an der Höhe der Altbauten.
Dieses geschlossene Bild wird aufgebrochen, wenn jetzt auf einzelne Häuser zusätzliche Stockwerke aufgesetzt werden. Ich beantrage, dass sich der Bezirksausschuss dafür einsetzt, das zu verhindern. Das gilt auch für die zugehörigen Kräne im öffentlichen Raum.
Begründung: Das Stadtbild soll erhalten werden.
Die Maxvorstadt ist bereits sehr dicht bebaut, es gibt für die Menschen zu wenig Grünflächen, die öffentlichen Verkehrsmittel sind am Limit.
Ein Stockwerk mehr bedeutet, dass die Straße stärker verschattet wird und es in den unteren Wohnungen dunkler wird.
Die Kräne behindern den Straßenverkehr.
Man hat pro Person insgesamt fünf Minuten Zeit, um eigene Anträge persönlich vorzustellen, darum habe ich die mündliche Begründung etwas ausführlicher formuliert. Allerdings können zu viele Aspekte auch überfordern und neue Fragen aufwerfen, sodass ich das nicht weiterempfehlen kann. Es war aber sinnvoll, abschließend Folgendes zu erwähnen, einfach weil darüber kaum gesprochen wird:
Die Münchner Wohnungsnot wird dadurch verursacht, dass Bürotürme und Luxuswohnungen mehr Rendite bringen als Mietwohnungen und auch mehr Rendite als normale Eigentumswohnungen. Hinzu kommt, dass die Stadt selbst in Zeiten der Vollbeschäftigung darum geworben hat, dass neue Firmen nach München kommen. Solche Fehlentwicklungen können nicht durch kompensiert werden, dass Investoren die Maxvorstadt willkürlich aufstocken.
Ich präsentierte danach einen weiteren Antrag (siehe unten). Anschließend passierte etwas, auf das ich nicht vorbereitet war: Ich wurde von der Vorsitzenden des Bezirksausschusses gefragt, ob etwas dazu gesagt werden dürfe. Ich ließ das zu – strategisch nicht sehr geschickt, weil der Bezirksausschuss den Antrag damit auch kleinreden kann, was in meinem Fall passierte. Trotzdem hat es sich gelohnt – ich bekam nämlich nicht nur eine knappe Antwort vom Podium man würde sich das im Einzelfall genau ansehen), sondern auch eine Antwort von einem anwesenden Vertreter der Lokalbaukommission.
Die Antwort von der Lokalbaukommission
Und diese war aufschlussreich und desolat: Das Mitglied der Lokalbaukommission wollte mir die nach Aufstockungen unterschiedlichen Traufhöhen allen Ernstes als Vielfalt der Stadt verkaufen. Außerdem könnten doch andere Häuser nachziehen. In der Realität würde das allerdings viele Jahrzehnte dauern, manche Häuser würden gar nicht aufstocken, besonders für Eigentümergemeinschaften wäre es viel zu kompliziert. Man weiß nicht, welche Variante man schlimmer finden soll – eine verhunzte Trauflinie, oder einheitliche Häuserschluchten.
Selbst wenn die Bürgerversammlung meinem Antrag zugestimmt hätte, könnte der Bezirksausschuss wenig ausrichten. Denn die geänderte Bayerische Bauordnung erleichtert die Aufstockungen, und bei der Lokalbaukommission ist offenbar Hopfen und Malz verloren.
Ansonsten müsste man sich bei der Genehmigung an der Umgebung orientieren. Laut §34 Baugesetzbuch „ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“. In Straßen wie der Schellingstraße gehört die einheitliche Traufhöhe zur Eigenart vieler Straßen. Eckhäuser sind teils einen Stock höher und setzen so einen Akzent. Diese eignen sich aber gerade deshalb nicht als Maßstab für Häuser mitten in der Straße. Ob das dem Bezirksausschuss bewusst ist, der behauptet, sich das genau anzusehen?
Antrag gegen Finanzierung der Wanderbaumallee in der Maxvorstadt
Ich habe noch einen weiteren Antrag gestellt, der meinem ersten Antrag möglicherweise auch ein wenig geschadet hat. Denn er wirkt im ersten Moment etwas crazy, wenn man noch nicht über das Thema nachgedacht hat. Im Vorjahr hatte ich aus dem Bericht des Bezirksausschusses erfahren, dass der BA einen Teil seines Budgets für die Wanderbaumallee von Greencity gibt. Darum stellte ich im November folgenden Antrag:
Ich beantrage, die Förderung der Wanderbaumallee von Greencity e.V. aus Mitteln des BA zu beenden.
Begründung: Die Wanderbaumallee hat laut Greencity (Anfrage 2024) in den letzten 30 Jahren gerade mal zu 150 Baumpflanzungen geführt, das sind fünf neue Bäume im Jahr für ganz München. Was soll uns das bringen?
Wenn es irgendwo noch geeignete Plätze für Bäume gibt, soll das die Stadt oder der BA direkt finanzieren. Wir haben letztes Jahr erfahren, dass das wegen der Leitungen nicht so einfach ist, freie öffentliche Standorte zu finden, daran ändert die Wanderbaumallee nichts.
Mit der Wanderbaumallee ziehen auch Leute von großen Firmen wie Amazon durch die Straßen, das heißt, Unternehmen betreiben auf diese Weise Greenwashing.
Mein mündlicher Vortrag war auch hier etwas ausführlicher: Ich schlug als Alternative vor, dass man auch Sträucher pflanzen könnte oder andere eigene Projekte des Bezirks finanzieren. Und ich erwähnte, dass das „Begrünungsbüro“ von Greencity bereits Investor Büschl beraten hat und schloss mit der Bemerkung, dass der Bezirk Maxvorstadt kein Greenwashing nötig hat.
Der Bezirksausschuss antwortete darauf, dass es sich um einzelne Anträge für die jeweiligen Straßen handle und von Fall zu Fall entschieden werde, außerdem sei die Wanderbaumallee beliebt. So bekam auch dieser Antrag am Ende keine Mehrheit. Es hat sich trotzdem gelohnt, ihn zu stellen – die Leute haben mal etwas anderes gehört, als dass man Greencity uneingeschränkt gut finden müsse.
Die Vorgeschichte der Wanderbaumallee
Hier im Blog ist noch erwähnenswert, dass die Wanderbaumallee wahrscheinlich auf den Autogeher Michael Hartmann zurückgeht. Von einem unabhängigen Aktivisten oder Verkehrs-Anarchisten zur Unterstützung durch Amazon, da haben die Bäumchen wirklich eine erstaunliche Karriere gemacht.
Hier könnte man noch tiefer einsteigen: Greencity wird auch massiv von der Stadt gefördert. Der Verein bindet und bündelt ökologisches Engagement von interessierten Menschen, und das auf eine Weise, die harmlos ist und der hiesigen Politik und Stadtverwaltung in den Kram passt. Betreutes und eingehegtes Engagement bringt keine Risiken und Überraschungen. Eine solche kam neulich von einem unabhängigen Verein, der sogar außerhalb Münchens angesiedelt ist: Wildes Bayern stoppte Baumfällungen in München. Die Bürgerinitiative Lin25 aus Sendling hatte auch örtliche Organisationen kontaktiert, aber diese wollten das Risiko einer Klage wegen fünf Bäumen lieber nicht eingehen.
Nun hat also ein Miesbacher Verein die Münchner Baumschutzverordnung herausgefordert, die bisher dem Prinzip „Baurecht vor Baumschutz“ folgte. Das könnte noch über Sendling hinaus spannend werden.