Denkmalschutz versus Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal

Schloss Nymphenburg - unverbauter Fächerblick auf das südliche Schlossrondell
Bild: der unverbaute Fächerblick vom Schloss Nymphenburg über das südliche Schlossrondell

Die alte Paketposthalle und der angrenzende Baugrund liegen im Nachbarstadtteil Neuhausen-Nymphenburg. Dieser Text erschien am 19. September 2025 mit leichten Kürzungen in der gedruckten Ausgabe in der Bayerischen Staatszeitung (unabh. Wochenzeitung), hier wird er nachträglich veröffentlicht sowie um eigene Überschriften und zusätzliche Informationen ergänzt. Wenn nicht anders vermerkt, führen Links nicht direkt zu PDFs, sondern zu Webseiten.

Beim Verwaltungsgericht München liegen derzeit zwei Verfahren rund um das Bürgerbegehren “Hochhausstop”: Eine Initiative hatte fast 50.000 Unterschriften eingereicht, doch die Stadtverwaltung erklärte den angestrebten Bürgerentscheid für unzulässig: Ihre Juristen argumentierten, das würde den “Abwägungsspielraum” der Stadt unzulässig begrenzen. Der Stadtrat schloss sich dieser Argumentation an.

Die alte Paketposthalle und der angrenzende Baugrund für drei Hochhäuser, zwei davon 155 Meter hoch, liegen rund zweieinhalb Kilometer westlich des Hauptbahnhofs und einen Kilometer südöstlich des Nymphenburger Schlosses. Die Kontroverse um das Bauvorhaben hat auch wesentlich mit dieser besonderen Lage zu tun.

Begrenzung der Hochhäuser auf eine Höhe von 60 Metern

Die im Bürgerbegehren angestrebte Höhenbegrenzung wird auch in den Stellungnahmen nachvollziehbar, die mehrere Träger öffentlicher Belange nach § 3 (2) des Baugesetzbuchs abgegeben hatten: Bis zu einer Höhe von 60 Metern wären die Hochhäuser vom Schloss Nymphenburg aus nicht zu sehen, sondern von einer Baumkulisse verdeckt. Schon im Jahr 2004 gab es einen ähnlichen Fall in der Umgebung – Hochhäuser am Hirschgarten wurden auf eine Höhe von 60 Metern begrenzt.

Das Schloss Nymphenburg hat den Charakter einer Sommerresidenz in der freien Landschaft, denn es lag früher außerhalb des Stadtgebiets. Laut Hochhausstudie der Stadt München inszenieren Parks wie der Nymphenburger Schlosspark und der Englische Garten zudem “einen Naturraum”. Deshalb dürfe von dort kein Hochhaus sichtbar sein, um die im Park angelegte Illusion zu bewahren.

Schlösserverwaltung fordert unverbauten Blick aus Nymphenburg

Das Schloss und seine Parkanlage sind als Ensemble in die Bayerische Denkmalliste eingetragen. Die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen kritisiert in ihren Einwendungen die „Studie zu potenziellen Auswirkungen auf das Schloss Nymphenburg“, auf die sich das Planungsreferat stützt: Diese fokussiert sich auf die barocken Sichtachsen, andere Aspekte stellt sie als weniger bedeutend dar.

Dem widerspricht die Schlösserverwaltung: Sie betont den einzigartigen “Fächerblick” vom Schloss und Ehrenhof über das Schlossrondell hinweg in den Himmel – dieser sei ein wesentlicher Bestandteil des Münchner Stadtbilds. Die geplanten Hochhäuser würden demnach das weit gespannte Sichtfeld massiver stören als bereits vorhandene Unterbrechungen am Horizont wie der O2-Tower und der Olympiaturm.

Schloss Nymphenburg - Blick auf das nördliche Schlossrondell mit O2-Tower und Olympiaturm
Bild: Fächerblick auf das nördliche Schlossrondell mit O2-Tower und Olympiaturm

Denkmalnetz stellt Abwägung der Stadt in Frage

Auf diese Argumente stützt sich auch das Denkmalnetz Bayern beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. in seinen Einwendungen. Die Verfasserinnen kommen zu dem Schluss, eine sachgerechte Abwägung habe “nicht stattgefunden”. Das Denkmalnetz fordert die Stadt auf, “die denkmalfachlichen Stellungnahmen ernst zu nehmen und sich nicht über – vom Planungsbegünstigten beauftragte – Gutachten zurechtzulegen, wann die Integrität dieses wertvollen Denkmalensembles gestört sei.” Auftraggeber der kritisierten Studie war die Büschl-Unternehmensgruppe, welche die Hochhäuser bauen möchte.

Diese Studie und viele weitere von der Stadt angeführte Gutachten können Sie hier herunterladen (siehe Ordner 20). Anschaulicher als die strittige Studie ist die Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung (Ordner 14) – hier wurden die geplanten Hochhäuser in viele Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven der Umgebung montiert. Die Hochhausstudie ist nicht enthalten, Sie finden Sie hier (Link zur Übersichtsseite der Stadt).

Einwendungen gegen Wolkenkratzer aus dem Münchner Forum

Mit der Bedeutung dieser „Studie zu potenziellen Auswirkungen auf das Schloss Nymphenburg“ vom Oktober 2024 setzen sich auch die Einwendungen des Arbeitskreises ‚Öffentliches Grün” im Münchner Forum e.V. auseinander (Link zum Textauszug). Der Autor wirft der Stadt vor, eine Studie irreführend zu einem Gutachten hochzustufen. Damit sei es der Verwaltung möglich, “sachliche Einwendungen im Verfahren ohne weitere Begründung lapidar und allein mit dem Argument zurückzuweisen, diese seien ‘gutachterlich’ widerlegt”.

Über die geplanten Wolkenkratzer schreibt der Autor, dass “vertikale Dominanten nicht im Zentrum der Blickachse stehen müssen, um das Stadtbild zu stören” – sie lenken ab, “wirken wie ein Fremdkörper in der Komposition und verändern das Gleichgewicht einer historischen Ansicht”.

Alte Paketposthalle mit unterirdischem Konzertsaal?

Die “Büschl-Türme”, wie sie in München auch genannt werden, sollen nahe der früheren Paketposthalle gebaut werden, die seit 1996 unter Denkmalschutz steht. Das Tonnengewölbe überspannt eine Fläche von etwa 19.000 Quadratmetern und soll in Zukunft unter anderem kulturell genutzt werden.

Dafür soll das Untergeschoss in die Tiefe ausgebaut werden – sogar von einem unterirdischen Konzertsaal ist die Rede. Doch das Denkmalnetz verweist darauf, dass zwar zahlreiche Ideen für eine künftige Nutzung gesammelt wurden, es aber noch kein tragfähiges Konzept gibt, das den Denkmalschutz und die Statik berücksichtigt.

Das Innere der Paketposthalle als Freifläche?

Was die künftigen Funktionen der Paketposthalle betrifft, beanstandet der Bund Naturschutz (Kreisgruppe München), dass der Bebauungsplan einen Teil des Innenraums zum überdachten Stadtplatz erklärt: Auf diese Weise kann der Bauherr bei den Grünflächen und Plätzen unter freiem Himmel massiv sparen und die städtischen Freiflächen-Orientierungswerte dennoch erfüllen. Die begleitende Pressemitteilung fragt, ob demnächst auch Tiefgaragen und Einkaufszentren in die Grün- und Freiflächenversorgung eingehen sollen. Eine Alternative mit mehr Grünflächen fordert der Bund Naturschutz auch deshalb, weil sich das Neubaugebiet im Sommer sonst zu stark aufheizen würde.

Der Bund Naturschutz verlangt außerdem, dass die Treibhausgas-Emissionen ermittelt werden, die bei einer Realisierung freigesetzt würden, sowie eine Lichtplanung, um Insekten zu schonen. Der Landesbund für Vogelschutz (Kreisgruppe München Stadt/Land) erklärt, dass hell erleuchtete Hochhäuser die Zugvögel nachts von ihrer Flugbahn abbringen können; außerdem bergen die Glasfassaden ein hohes Risiko für Vogelschlag.

Kritik an öffentlicher Präsentation des Bebauungsplanes

Der Einwand des Arbeitskreises Isar im Münchner Forum e.V. gilt schließlich der Art und Weise, wie die Stadt die Öffentlichkeit beteiligte (Link zum Textauszug): “Der Auslegungsraum mit seiner schlechten Auffindbarkeit, abweisenden Atmosphäre und völlig unzureichenden Beleuchtung stellt fast schon eine Zumutung dar”, schreibt Wolfgang Czisch, der auch bei Hochhausstop mit verantwortlich ist. Er fordert daher eine Wiederholung der Präsentation: Diese müsse “über das Allernötigste hinausgehen” und “ein Modell oder mindestens eine isometrische Plandarstellung” zeigen, um das Vorhaben auch fachlichen Laien verständlich zu vermitteln.

Andere Stellungnahmen und weiterführendes Material

Weitere, im BSZ-Artikel nicht erwähnte Stellungnahmen aus dem Münchner Forum kamen vom Arbeitskreis Kulturbauten (Link zum Textauszug) und von der Projektgruppe Paketpostareal (Link zum Text).

Auch die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (Landesverband Bayern-Süd) hat Einwendungen eingereicht, argumentiert wegen Schloss Nymphenburg für die Höhenbegrenzung und bezieht sich auf das Schreiben des AK Öffentliches Grün im Münchner Forum. (Das Schreiben der DGGL liegt mir vor, ist aber nicht online.)

Manche Stellungnahmen erwähnen einen Beschluss des Landesdenkmalrats vom 28.02.2025, eine Übersichtsseite zum Landesdenkmalrat mit Beschlüssen zum Download finden Sie hier auf der Website des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Vorsitzender des Landesdenkmalrates ist übrigens MdL Robert Brannekämper, der zusammen mit Wolfgang Czisch (Arbeitskreis Isar) zu den Initatoren von Hochhausstop gehört.

Die früheren Einwendungen nach § 3 (1) des Baugesetzbuchs hatte das Planungsreferat mit seinen Antworten als Sammel-PDF online veröffentlicht (Link zum PDF, 23 MB, 508 Seiten). Falls das auch hier das Vorgehen sein sollte, kann ich einen Link nachtragen.

Ein Link zu einem weiteren Thema des Gartendenkmalschutzes hier im Blog:
Richtig so: Keine Tram durch den Englischen Garten

Paketposthalle bei „Moloch München“

Im Immobilienlexikon von „Moloch München – eine Stadt wird verkauft“ gibt es einen sehr detaillierten Artikel zur Paketposthalle von Dr. Wolfgang Zängl über die langjährige Auseinandersetzung um die Halle. Unter dem Text stehen viele Fotos.

Der Text zitiert einen Kommentar aus der Abendzeitung. Kulturredakteur Robert Braunmüller ordnete die schöne Geschichte vom unterirdischen Konzertsaal so ein: „Die Paketposthalle ist ein Klotz am Bein der hochprofitablen Vermarktung des Geländes an der Friedenheimer Brücke. Seit Jahren versuchen die Investoren, ihren Ladenhüter mit bunten Simulationen der Landeshauptstadt oder dem Freistaat anzudrehen: als Konzertsaal, Musikhochschule, Gasteig-Interim oder Ersatz für den Gasteig – damit am Isarhochufer Platz für Luxusinvestments frei wird.“

Irene Gronegger, Diplom-Geographin und freie Journalistin, München

Ein Gedanke zu „Denkmalschutz versus Hochhäuser auf dem Paketpost-Areal

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