Dienstag Abend vor dem Funkhaus des Bayerischen Rundfunks: Anlässlich des 60. Geburtstags des Studiobaus fand eine gut besuchte Kundgebung gegen die Abbruch-Pläne statt. Auch die geplanten drastischen Kürzungen bei den Kultursendungen auf Bayern 2 Radio waren ein wichtiges Thema. Zu diesem Anlass haben die Kreativen selbst ein vielseitiges, mehrstündiges Kulturprogramm angeboten – mit Witz und Ironie gegen Sparpläne und Abrissbirne.
Bild: Hunderte Gäste bei Kundgebung vor dem Funkhaus, mit Kulturprogramm gegen den Abriss
Abbruch des Studiobaus und Umzug nach Freimann?
Das Bayerische Fernsehen sitzt bereits in München-Freimann, in den nächsten Jahren soll auch der Rundfunk in den Münchner Norden umziehen. Große Synergien sind dadurch nicht zu erwarten, Radio und Fernsehen arbeiten unterschiedlich und getrennt voneinander. Aber beim Kulturprogramm des Radios soll massiv gespart werden und in Zukunft vieles zentral für die ganze ARD produziert – dagegen fand bereits letzte Woche eine Demonstration statt (siehe der kurze Bericht in M).
Diese so genannte „Reform“ passt zwar zum Geist des geplanten Umzugs, der Hauptgrund dürfte ein anderer sein: An der Stelle des bisherigen Studiobaus, der am Rundfunkplatz neben der Marsstraße liegt – also mitten in der Stadt – soll ein neues Gebäude entstehen. Und dieser neue Mediencampus soll laut Bayerischem Rundfunk dessen eigene Nutzungen mit „Drittnutzungen“ verbinden. Man möchte also die angedachten Räumlichkeiten der Zukunft auch vermieten und damit zusätzliche Einnahmen generieren – die Lage im Zentrum der Stadt ist auch für andere vorteilhaft und die Mieten sind hoch. Ein Transparent auf der Kundgebung formulierte es so: Google saniert den Postpalast. Apple baut um die Ecke. Der BR zieht ins Grüne!
Attraktiv und erhaltenswert ist aber auch der bisherige Studiobau mit seiner besonderen Bauweise und seinen Konzerträumen, die Kenner für ihre Akustik sehr schätzen (mehr dazu auf der Website der Initiative BR Studiobau retten der Architektin Eva Demmelhuber). Der Studiobau hat sich außerdem als Austragungsort für verschiedene Wettbewerbe bewährt – auch hier ist die zentrale Lage in der Stadt sinnvoll. Dieser Vorteil gilt auch für alle Studiogäste, die über den nahe gelegenen Hauptbahnhof anreisen.
Denkmalschutz für den Studiobau des Funkhauses!
Als Begründung, Rechtfertigung oder auch Vorwand für die Abriss-Pläne dient der fehlende Brandschutz im Studiobau: Eine Nachrüstung wäre angeblich zu teuer. Die gesamten Sanierungskosten sollen 300 Millionen ausmachen – wie sich diese Summe zusammensetzt, ist der interessierten Öffentlichkeit aber nicht bekannt.
Bild: Blechbläser beim Auftritt, rechts ein Transparent für den Denkmalschutz
Eines der Transparente auf der Kundgebung wandte sich direkt an den zuständigen Mann: Herr Oberkonservator Prof. Pfeil! Nach Ihrem Tierklinik-Fehlurteil wäre Einsicht angebracht! Endlich Denkmalschutz für den Studiobau! Auch das Denkmalnetz Bayern spricht sich dafür aus, den Bau zu würdigen und zu erhalten. Hinzu kommt, dass der Abbruch des Studiobaus und eine Neubebauung der Fläche überhaupt nicht sinnvoll sind, wenn man den Klimaschutz einbezieht.
Wie geht’s weiter mit BR und Funkhaus / Studiobau?
Der Stadtrat hatte im Jahr 2021 dem BR den Auftrag gegeben, sein Hochhaus an der Arnulfstraße zu erhalten. Für den Studiobau an der Marsstraße (Rundfunkplatz) gilt das aber nicht. Der nächste Schritt wäre ein städtebaulicher Wettbewerb, aber dieser hat noch nicht begonnen – anscheinend gibt es derzeit beim Bayerischen Rundfunk eine Denkpause.
Wer Abbruch und Neubau nicht sinnvoll findet, darf das Protestschreiben an die Geschäftsleitung des BR online unterzeichnen: Kein Abriss des Studiobaus! Wenn der eigene Name und/oder die Gruppierung angezeigt werden soll, bitte enstprechendes Häckchen setzen. Als Gruppierung lässt sich alles Mögliche eintragen, z.B. die eigene Bürgerinitiative, politische Partei, Gewerkschaft … oder einfach Radiohörerin oder Gebührenzahler.
Außerdem läuft noch die Online-Petition zum Thema, der Text erklärt weitere Hintergründe. Diese Pläne würden das Programm auch verflachen und Kultur teils auf leicht konsumierbare Häppchen verteilen. Auf einem Transparent am Dienstag stand: Kultur von Format oder Format-Radio? Bei der Kundgebung am Dienstag trugen BR-Leute auch Kommentare von Unterstützern vor, jemand sah zum Beispiel beim öffentlichen Rundfunk großes „Sparpotenzial bei FIFA und IOC“. Sehr treffend fand ich die Bemerkung des Schriftstellers und Satirikers Joseph von Westfalen: „Kultur kann nerven, aber ein Leben ohne Kultur wäre die Hölle“. Eine Aufzeichnung der ganzen Veranstaltung gibt es auf Youtube.
Noch mehr Bauwut und Abrisse in München
Als ich nach zwei Stunden die Veranstaltung verließ, kam ich an einem Rudel Eisbären vorbei, das auf seinen Auftritt wartete. Sie setzen sich nämlich für den Erhalt des Justizzentrums an der Nymphenburger Straße ein und wollen das Abbrechen abbrechen. Auf ihrer Website sieht u.a. man die Eisbären in Aktion und eine Liste von Personen und Organisationen, die das Anliegen der Initiative JustizzentrumErhalten unterstützen. Auch hier ist Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein Thema: Es ist laut Abendzeitung erst 15 Jahre her, dass ein Teil des Gebäudes für 19 Millionen generalsaniert wurde.
Update: Womöglich hat sich der Protest gegen die Abrisspläne bereits gelohnt! Neuerdings heißt es beim Landesamt für Denkmalpflege, die Prüfung des Denkmalschutzes laufe noch.
Noch mehr Münchner Bauwut, Wachstums- und Planungswahnsinn finden Interessierte in meinem vorigen Blogartikel über Wachstum, Nachverdichtung und Hochhäuser in München – ebenfalls mit einigen Aktionen und Petitionen, die noch Unterstützung brauchen können.