Archiv der Kategorie: Sittengemälde

Out of Idylle: Die Isentalautobahn kommt

Wenn man kein eigenes Thema für den wöchentlichen Blogeintrag ausgebrütet hat und sich die altgediente Taschenknipse ohnehin nicht mit dem neuen PC verträgt, kann man ja mal wieder schauen, was andere in ihre Blogs schreiben. Seit einigen Wochen läuft eine Outdoor-Blogparade zum Thema „Eure schönsten Orte“. Viel ist anscheinend noch nicht los, kein Wunder bei dem kalten und teils trüben Wetter. Doch das Stöbern wird politisch …

Lutz wohnt östlich von München und hat den Wald und seine Idylle gleich hinter dem Dorf. Anscheinend nicht mehr lange, denn die Baustelle für die A94 rückt näher: Die Isentalautobahn frisst sich durch die Landschaft, und so sieht das im Großbild aus. Da wollen wir doch mal großzügig darüber hinweg sehen, dass Lutz über sportliche Münchner Ausflügler lästert.

Durchs Isental a broade Bahn, dass der Tandler schneller hoam fahrn kann, reimten und sangen die drei von der Biermösl-Blosn schon in den Achtzigern. Nun wird die Autobahn doch noch gebaut und schafft es aus der Sphäre des Abseitigen in die Realität, fast wie so manche schlechte Verschwörungstheorie, mit der man ja auch nicht ernsthaft gerechnet hatte.

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Rückblick: Der Autogeher Michael Hartmann

Erinnert sich noch jemand an Michael Hartmann? Er war Anfang der neunziger Jahre öfter im Fernsehen, weil er den Münchner Straßenverkehr anarchistisch aufmischte. Auf rücksichtslos zugeparkte Gehwege reagierte er ab 1988, indem er einfach über im Weg stehende Autos hinweg lief – deshalb „Autogeher“ oder „Carwalker“.

Einige seiner Medienauftritte sind noch auf Youtube zu finden. Damals war Michael Hartmann vor allem in der Maxvorstadt und in Schwabing unterwegs. Und die Gehwege waren tatsächlich dermaßen zugeparkt, dass seine Herangehensweise gar nicht so abseitig erscheint – besonders mit Rollstuhl oder Kinderwagen war damals an manchen Stellen kein Durchkommen mehr:


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Beweisfotos: Gentrifizierung der Maxvorstadt ist vollendet

veganer Dönerladen in der Theresienstraße

Neulich in der Theresienstraße nahe der U-Bahn bemerkt: Die Bäckerei Zöttl ist nicht mehr da, jetzt gibt es hier einen veganen Dönerladen. Was man wohl im benachbarten kurdischen Friseurladen davon hält? Das kann ich beim nächsten Haareschneiden klären.

Biegt man um die Ecke, dann sieht man: Der biedere Elektroladen in der Augustenstraße hat ein Schaufenster umdekoriert. Sonst war an dieser Stelle immer ein Mix aus allerlei praktischen Kleingeräten für die Küche zu sehen. Jetzt dreht sich alles um Smoothies, die frisch gemixten Obst- und Gemüsesäfte mit seltsamen Zutaten:

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Der Streit um die Stolpersteine in München

Viele Münchner kennen die kleinen Messingplatten aus dem Fernsehen oder aus anderen Städten: Die Stolpersteine erinnern an Opfer des Nationalsozialismus, meist direkt vor den Häusern, in denen sie lebten, bevor sie verhaftet wurden.

Die Stolpersteine sind ein dezentrales Mahnmal, das der Künstler Gunter Demnig entwickelt hat. Ihre Qualität liegt darin, dass die Betrachter im Alltag und oft an unerwarteter Stelle darauf stoßen und die eingravierten Namen lesen.

Erinnerung auf dem Fußboden

Gedenktafeln an Hauswänden müssten von den Eigentümern der Gebäude genehmigt werden, was bei schwierigen Erinnerungen nicht unbedingt gewünscht ist. Für Verlegungen auf dem Gehweg sind die Kommunen zuständig. Aus diesem Grund wurde auch das Denkmal für den Ministerpräsidenten Kurt Eisner, der 1919 hinter dem Bayerischen Hof erschossen wurde, im Jahr 1989 in den Gehweg der Kardinal-Faulhaber-Straße eingelassen. Ein Stadtführer des DGB-Bildungswerks erklärte einst, dass Kritiker den Rost im Gehweg „Fußabstreifer“ nannten:

Kurt-Eisner-Denkmal

Allerdings ist die Zustimmung der Gemeinden für solche Installationen meist einfacher zu bekommen als die von Hausbesitzern, sodass wohl auch Stolpersteine aus derart pragmatischen Gründen so zahlreich verlegt wurden. Europaweit sind es fast 50.000, die meisten Stolpersteine erinnern an Juden, manche auch an andere Verfolgte. Das Geld stammt aus Spenden, ein Stolperstein aus Demnigs Manufaktur kostet derzeit 120 Euro.

Stolpersteine im Kunstpavillon

In München gibt es keine Stolpersteine im öffentlichen Raum, weil der hiesige Stadtrat die Verlegung nicht genehmigt hat. Man findet sie lediglich auf einigen privaten Grundstücken, drei Stolpersteine wurden im Kunstpavillon im Alten Botanischen Garten untergebracht.

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