Radlhauptstadt oder Autotunnel – die Diskussion zur Wahl

In sechs Wochen wird in München der Oberbürgermeister neu gewählt. Deshalb bat der ADFC gestern abend zwei Kandidatinnen und vier Kandidaten aufs Podium und ließ einige Themen rund um den Radverkehr diskutieren. Es debattierten Dieter Reiter (SPD), Josef Schmid (CSU), Sabine Nallinger (Grüne), Michael Mattar (FDP), Brigitte Wolf (Linke) und Tobias Ruff (ÖDP).

Die Eingangsfragen dienten dem lockeren Auftakt und knüpften teils an die Wahlkampfslogans der Parteien an: „Fahren Sie doch, wie Sie wollen“, heißt es bei der Münchner FDP – etwa eine Parole gegen die Radwegbenutzungspflicht? Nach der Aufwärmrunde war ein heißes Eisen dran:

Umverteilung des Straßenraums zugunsten des Fahrrads?

Dieses Thema wurde wegen der aktuellen Brisanz vor allem am Beispiel der Rosenheimer Straße diskutiert (der Hintergrund lässt sich im Blog Critical Mass nachlesen, außerdem gibt es eine Online-Petition von Green City, ADFC München, Bund Naturschutz München, VCD und FUSS, die sich für einen Radstreifen einsetzt).

Dieter Reiter (SPD) widersprach der Neuverteilung nicht grundsätzlich. Er ging die Sache eher vorsichtig und diplomatisch an und räumte ein, dass die Rosenheimer Straße derzeit nicht zum Radfahren geeignet ist, weswegen alternative Routen mit kleinem Umweg geprüft werden müssten. Falls das nicht funktionieren sollte, käme die Rosenheimer Straße wieder auf die Agenda – schließlich müsse „der Wurm dem Fisch schmecken“ – also den Radfahrern.

Sabine Nallinger (Grüne) trat offensiver auf – sie möchte den Radfahrern „den roten Teppich ausrollen“, dafür müsse auch in der Rosenheimer Straße der Raum neu verteilt werden. Michael Mattar (FDP) hält es für unattraktiv, auf der Rosenheimer Straße auf einer Radspur am Stau und dessen Abgasen vorbei zu radeln und entzog sich mit dieser Behauptung der kontroversen Diskussion. Den Raum für Autos von vier auf zwei Fahrstreifen zu reduzieren, wäre für Josef Schmid (CSU) nur in Verbindung mit einer City-Maut sinnvoll, die die CSU aber ablehnt. Tobias Ruff (ÖDP) legte die Messlatte für die Neuverteilung der Flächen in der Radlhauptstadt hoch: Man solle versuchen, das internationale Vorbild Kopenhagen noch zu übertreffen, weil das Wetter für Radfahrer in München besser ist als im windigen Norden.

Josef Schmid – ein Mann will nach unten

Schmid hält also wenig von einer Neuverteilung des Straßenraums zugunsten des Fahrrads, weil auch der Autoverkehr zunehme. Die Ausweichmöglichkeiten sucht er deshalb in der Tiefe: Tunnelbau, U-Bahnen, Tiefgaragen. Beispielhaft nannte er den Petuelpark über dem Ringtunnel, der viel Raum für Fußgänger, für Radfahrer und für Spielplätze geschaffen habe.

Schmids Tunnel-Kontrahenten waren Tobias Ruff und Sabine Nallinger – sie erklärten den Petuelpark zum Ausnahmefall. Ruff erwähnte Parallelstraßen, die meist keinen großen Park zulassen, Nallinger nannte beispielhaft den Luise-Kiesselbach-Platz, wo wegen der Abbieger viel Verkehr an der Oberfläche bleiben wird. Was die Kosten angeht, berief sich Schmid auf die „hohe Investitionskraft“ der Stadt. Brigitte Wolf (Linke) entgegnete, die Tunnelpolitik sei „nicht mal für München finanzierbar“. Michael Mattar (FDP) lehnt den Tunnelbau nicht ab – immerhin zahlten Autofahrer besondere Steuern wie Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer: Ein Argument, das Raunen und Grummeln im Publikum provozierte. Ein möglicher Tunnel für den Mittleren Ring unter dem Englischen Garten wurde gar nicht angesprochen – vielleicht zu utopisch?

Finanzierung des Radverkehrs und weitere Geldfragen

Die nächste Frage des ADFC galt der Fahrradpauschale: Derzeit liegen die jährlichen Ausgaben bei fünf Euro pro Einwohner Münchens, hier forderte Nallinger eine Erhöhung auf 25 Euro. Das Podium behakte sich aber lieber darüber, dass jährlich eine Million für die Marketingkampagne unter dem Namen „Radlhauptstadt“ ausgegeben wird. Halbwegs einig war man sich aber, dass ein einzelner Mitarbeiter nicht ausreicht, um die Benutzungspflicht von Radwegen zu prüfen – das würde womöglich zehn Jahre dauern. Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass mancher benutzungspflichtige Radweg viel zu schmal ist, um ihn mit einem Anhänger oder einer Rikscha zu befahren.

Benutzungspflichtiger Radweg (Von-der-Tann-Straße)

Archivbild: Benutzungspflichtiger Radweg in der Von-der-Tann-Straße (Altstadtring)

Tobias Ruff (ÖDP) bedauerte, dass die Grünen von der City-Maut abgerückt sind – Nallinger genügt die Parkraumbewirtschaftung. Brigitte Wolf (Linke) ist für eine City-Maut. Sie brachte die hohen Preise des MVV ins Gespräch und fände einen steuerfinanzierten Nulltarif zumindest in der Innenstadt sinnvoll. Kurz diskutiert wurden auch der Ausbau von Park & Ride wie an der U-Bahn Fröttmaning, die von Nallinger gewünschten, aber teuren Fahrradgaragen an Bahnhöfen und die fehlenden Fußgängerbrücken über die Bahntrasse.

Außerdem wurden die Podiumsgäste reihum zu ihrer Haltung zu Tempo 30 befragt, auch zur Frage, ob Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit sinnvoll wäre. Dafür waren Nallinger, Ruff und Wolf, dagegen Reiter, Schmid und Mattar.

Wer die komplette Diskussion hören möchte, kann das am Sonntag zwischen 19 und 21 Uhr im Internet-Stream von Radio Lora tun. Im Mucradblog gibt es ein Stimmungsbild der Debatte mit Überblick über die Einstellungen der einzelnen Kandidaten.

3 Gedanken zu „Radlhauptstadt oder Autotunnel – die Diskussion zur Wahl

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