Dachauer Straße – ein Kreativquartier für die Kunst?

In München-Neuhausen plant die Stadt ein großes „Kreativquartier“ mit vielen Neubauten und Sanierungen, das am Ende ganz verschiedene Nutzungen auf dem Areal vereinen soll: Die Erweiterung der Hochschule, viel Wohnbebauung mit Schule, Flächen für den Einzelhandel, Räume für die Kreativwirtschaft und verbindende Grünflächen. Die Dachauer Straße begrenzt das Areal im Südwesten, weitere Grenzen werden von der Schwere-Reiter-Straße im Norden, der Infanteriestraße, der Heßstraße und der Lothstraße gezogen. Im Rahmen der Architekturwoche fand eine Führung statt, die das Gelände aus der Sicht der Planer vorstellte.

Beginnen wir ganz im Norden: An der Schwere-Reiter-Straße steht die ehemalige Luitpold-Kaserne, deren Räume bereits an Firmen aus der Medienwirtschaft vermietet sind. Der ehemalige Exerzierplatz dient als Parkplatz, er soll irgendwann begrünt und durch eine Tiefgarage ersetzt werden. Die Fläche südöstlich davon ist für Wohnungsbau, Grundschule und Sportflächen vorgesehen.

Alte Hallen mit künstlerischer Nutzung

Auf dem Terrain zwischen Dachauer Straße und Heßstraße, also vom Leonrodplatz bis zur Hochschule (siehe Google Maps), ist die Sache komplizierter und spannender: Das Karree, das an den Leonrodplatz angrenzt, enthält neben etwas Wohnbebauung diverse Hallen, manche haben eher provisorischen Charakter. Viele Gebäude wurden seit den 20er Jahren von den Stadtwerken und anderen kommunalen Einrichtungen genutzt, die inzwischen anderswo untergebracht sind. Das Besondere an dieser Ecke sind die Ateliers und Werkstätten, Proberäume und Theater, die dort nach und nach eingezogen sind. Bei den Architektinnen und Planern heißt dieses gemischte Karree mit vielen künstlerischen Nutzungen „Kreativlabor“. Einen guten Überblick bietet auch hier Google Maps.

Atelierhaus Dachauer Straße (Eingang)

Bild: Eingang zum Atelierhaus Dachauer Straße

In diesem Karree befinden sich das Leonrodhaus für Kunst, das Atelierhaus Dachauer Straße und die Halle 6, die zusammen rund 60 künstlerische Ateliers enthalten. Dem Kulturreferat gefällt offenbar die Idee, an das Atelierhaus den im Krieg zerstörten Teil wieder anzubauen.

Viel Platz für Neubauten gibt es jedenfalls. Das Planungsreferat sieht in der Nähe des Leonrodplatzes 3.000 Quadratmeter Geschossfläche für den Einzelhandel vor – so steht es jedenfalls im Flyer „Stadt kreativ denken“ des Referats von 2012, der auch noch auf den Führungen der Architekturwoche durchs Quartier verteilt wurde. (Damals hat man im Karree des „Kreativlabors“ kein einziges Gebäude als „erhaltenswert“ kartiert, wie der Bestandsplan in der rechten unteren Ecke des Flyer-PDFs zeigt.)

Industriedenkmäler: Jutier- und Tonnenhalle

An das Kreativlabor soll stadteinwärts ein Park anschließen, dahinter liegen die Jutier- und Tonnenhalle: Diese beiden Industriegebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert stehen seit 1999 unter Denkmalschutz. Auch sie wurden früher von den Stadtwerken genutzt, zum Beispiel als Lager für Gullideckel. Die Jutierhalle diente den Münchner Kammerspielen vor über 10 Jahren eine Weile als Ersatzbühne, aus dieser Zeit stammen die Einbauten in der Halle.

Zwischen den attraktiven Hallen und der Hochschule an der Lothstraße ist schließlich Raum für die Hochschulerweiterung und den Wohnungsbau. Eine derzeit noch vorhandene, relativ neue Halle muss dafür aber abgerissen werden.

Jutierhalle mit Einbauten der Kammerspiele

Bild: Jutierhalle mit Resten der Zuschauertribüne der Kammerspiele

Kreativwirtschaft ist nicht gleich Kunst

Die Pläne sehen vor, die Jutier- und Tonnenhalle kulturell und kreativwirtschaftlich zu nutzen. Zur Kreativwirtschaft zählen aber nicht nur die Künste, sondern auch ganz andere Branchen wie die Medienwirtschaft oder Eventagenturen. Es ist offen, wie viel Fläche hier tatsächlich für Künstlerateliers zur Verfügung stehen wird. In der Jutierhalle sollen laut Architektur-Führung die Räume modular in verschiedenen Größen angeboten werden, als Ateliers und auch als Büros für junge Firmen, und dazu Coworking Spaces. (Damit sind Gemeinschaftsbüros mit Arbeitsplätzen gemeint, die stunden- oder tageweise gemietet werden können.)

Die Tonnenhalle mit ihrem Gewölbe hat das Kulturreferat für die „performative Kunst“ vorgesehen. Doch die Sanierung der Hallen und die späteren Einnahmen sollen wohl unterm Strich kostendeckend sein. In diesem Fall könnte es bei der Nutzung der Tonnenhalle eher auf Konzerte bereits etablierter Bands und andere lukrative Events hinaus laufen, die das geforderte Geld einspielen, aber nicht unbedingt mit der Münchner Kulturszene zu tun haben.

Tonnenhalle

Bild: Tonnenhalle

Wie wichtig ist die Kunst im Kreativquartier?

Fazit: Die Künstler spielen derzeit die Hauptrolle für die Markenbildung des „Kreativquartiers“, von dem viele Akteure profitieren werden. Sie sind es, die die Pläne attraktiv erscheinen lassen. Doch wie viel sie selbst gewinnen werden, was vor allem dringend benötigte Ateliers angeht, scheint im Moment noch unklar. Und die Erinnerung an die Verluste bei den Domagk-Ateliers im Münchner Norden ist noch recht frisch.

Zusätzliche Links:
Kreativquartier – Website des Wettbewerbsgewinners
www.muenchen.de/kreativquartier – Seiten des Kulturreferats
Texte zur Theorie über Kultur- und Kreativwirtschaft – Blogeintrag aus Berlin

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Stand: 20. März 2017

7 Gedanken zu „Dachauer Straße – ein Kreativquartier für die Kunst?

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  2. chaosreporter

    Früher als die Ecke vor mehr als 20 Jahren noch Freifläche war, waren dort tolle Künstler und riesige Flohmärkte die seines gleichen suchten. Bin schon gespannt wie die Ecke fertig aussehen wird.

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