Mit der Münchner CSU zurück in die Achtziger?

Der laut Selbstbeschreibung rechthaberische Mucradblogger hat Bild München gelesen und sich über einen CSU-Stadtrat aufgeregt, der die Radfahrer „runter von den Hauptstraßen“ haben möchte, damit „der Verkehr besser fließen kann“. Die CSU zählt nämlich den Radverkehr relativ konsequent nicht zum Verkehr, sondern zu was eigentlich – zu den paranormalen Erscheinungen? (Da ist BMW schon deutlich weiter.)

Nun könnte man sich prima in die Vorstellung reinsteigern, dass nach der gewohnten rot-grünen Ära der Münchner Radverkehr den Bach runter geht. Münchner haben es ja nicht so mit der Veränderung, und nun müssen wir uns an eine Art große Koalition gewöhnen. Aber ein paar Sprüche eines CSUlers in der Bildzeitung machen noch keinen Beschluss des Stadtrats, und dann wäre da noch die lästige Realität, in der er umgesetzt werden müsste: Nicht überall gibt es schöne und ruhige Nebenstraßen, in die man die Radler umlenken könnte, das wissen auch die Fachleute in der Stadtverwaltung.

München radelt der Politik voraus

Die Stadt kann den Radverkehr etwas mehr oder etwas weniger fördern oder bremsen, aber sie kann nicht verhindern, dass er wächst. Und zwar so kräftig, dass schon Rot-Grün mancherorts eher der Entwicklung nachgelaufen ist als sie zu gestalten. Sicher ist der ein oder andere Schutzstreifen auf der Fahrbahn sinnvoll, aber viel zahlreicher sind die handtuchbreiten Pseudo-Radwege, die man in den Achtzigern von den Gehwegen abgezwackt und teilweise nur auf das Gehwegpflaster aufgemalt hatte.

Mancher untaugliche Radweg wie in der Augustenstraße ist im Münchner Radlstadtplan eingezeichnet, den das Radlhauptstadt-Logo ziert. Der ein oder andere extraschmale Radweg ist sogar als benutzungspflichtig ausgeschildert, obwohl er die Anforderungen dafür nicht erfüllt – die Radlhauptstadt hat viele Nadelöhren. Noch mehr Kritik gibts bei Bedarf bei Männigs ironischem Beitrag München – ein Fahrradparadies.

Der heutige Radverkehr lässt sich nicht mehr auf die mickrigen Radwege der Achtziger zurück drängen, und für die Verkehrsplanung und den Radwegbau gibt es Vorschriften und technische Regelwerke. Auch der Gefahrenatlas der Süddeutschen enthält etliche Aufgaben für Politik und Verwaltung.

Radlhauptstadt mit Gehwegradlern und Auto-Rambos

A propos Vorschriften: Die Zukunft der Radlhauptstadt-Kampagne ist wohl noch offen. Die Stadt könnte sie auch anders nutzen als bisher, zum Beispiel um die Verkehrsregeln bekannter zu machen. Themen gäbe es genug – zum Beispiel erwachsene Radler auf dem Gehweg, Geisterradler auf dem Radweg oder Autofahrer, die die Radler mit viel zu knappem Abstand überholen.

Vielleicht fordert die CSU demnächst mehr Law and Order und kommt beim Studium der Straßenverkehrsordnung selbst zu der Erkenntnis, dass sich das Gesetz von mancher gefühlten Autofahrer-Wahrheit deutlich unterscheidet? Warten wir es ab – nur mit Revierdenken kann man jedenfalls keine fünf Jahre Politik machen. Wir haben auch selbst Einfluss, mit welchen Anliegen und Beschwerden wir die Bezirksausschüsse und die Verwaltung beschäftigen. Und durch die Art und Weise, wie wir die Straße nutzen.

Zum Weiterlesen und -sehen (kurze Videos):
Kottan ermittelt – Autotür als Problemzone und ein wenig Fahrschule

3 Gedanken zu „Mit der Münchner CSU zurück in die Achtziger?

  1. Stadtneurotiker

    Rot-Grün hatte tatsächlich knapp 25 Jahre Zeit, den Radlverkehr (wie auch den ÖPNV) zu fördern wie auch auszubauen. Das geschah nur unzureichend.
    Die SPD hatte in der Zeit nie eine ernstzunehmende verkehrspolitische Haltung (man halte sich nur den Beschluss der Roten im Planungsausschuss zur Rosenheimer Straße vor wenige Monate vor der Wahl vor Augen — gegen den Willeln des BA!) die Grünen hatten zu wenig Gewicht und Eier.

    Jetzt kommt halt die CSU, deren Haltung immer eindeutig war, daher und schafft Tatsachen.
    Die Wähler haben in fünfeinhalb Jahren die Chance, das zu korrigieren.

  2. Irene Gronegger Beitragsautor

    man halte sich nur den Beschluss der Roten im Planungsausschuss zur Rosenheimer Straße vor wenige Monate vor der Wahl vor Augen — gegen den Willeln des BA!

    Ja, sowas ist schon krass. Bei der Podiumsdiskussion der OB-Kandidaten beim ADFC kam zwar Nallinger am besten an (sie ist ja auch Verkehrsplanerin), aber Ruff von der ÖDP legte schon auch den Finger in die Wunde mit der Frage, wo die Vision bleibt – außerdem müsste man Kopenhagen überholen, weil München das bessere Wetter hat :-)

    https://maxvorstadtblog.de/radlhauptstadt-tunnel-muenchen-podiumsdiskussion-adfc/

  3. Gerd Friedlich Eickelberg

    Genau betrachtet ist nur der Hauptdarsteller im Theater der Stadtrepräsentanz ausgetauscht worden. tatsächlich werden über die Ba’s und andere hinhaltende Kommentare die Wähler und Einwohner, die man auch als BürgeN bezeichnet, von der tatsächlichen Stadtpolitik abgekoppelt. Die Ba`s sind Bürgerabwehreinrichtungen. Die Dirigenten sitzen wo anders. Wir alle, die sich darum Gedanken machen sind nur die Lieferanten.
    Das Thema dieses Artikels von Frau Gronegger ist Bestandteil dieser Problematik. Deshalb danke ich auch der Artikelautorin ausdrücklich!
    Im Ergebnis denke ich macht es Sinn in den Stadtteilen unabhängige Einwohnerparlamente aus Bürgerinitiativen zu schaffen, die sich in die vorgeschriebene Arbeit der parteigebundenen Bürgerabwehrausschüsse einmischen!

    Wen es interessiert kann sich an mich wenden (über die E-Mail oder unter 0173/7932070).
    – Am 01.09.2014 geht es los in der Maxvorstadt –

    Alles Gute und Erfolg bei den persönlichen Unternehmungen
    wünscht
    Gerd Eickelberg
    Blüsenmeister

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